Bikepacking Trans Germany 2019 – Tag Null

by Benni

Am Samstag um 15 Uhr breche ich aus Basel auf, um nach Deutschland hinüber und zu einem Freibad am Rhein zu fahren. Dort findet ab 16 Uhr das „Pre-Race-Meeting“ der Bikepacking Trans Germany 2019 statt. Endlich geht es los! Seit Monaten schon hatte ich mich auf das Rennen gefreut, bin im Kopf die einzelnen Etappen durchgegangen, habe an meiner Ausrüstung gefeilt. Jetzt würde ich gleich mein Startschild und den Tracker (mit dem man mir live folgen können wird) in Händen halten.

Gewitterwolken über dem Rheintal

Als ich mich auf den Weg mache, donnert es in der Ferne. Wird da gleich ein Schauer über das schöne Meeting niedergehen? Ich muss in jedem Fall los, in Grenzach hat bis 16 Uhr die Post geöffnet. Ich will noch ein Paket mit all den Sachen nach Hause schicken, die ich die letzte Woche in Basel gebraucht habe, die aber jetzt auf dem Fahrrad nur schwere Last wären. Ich erreiche trocken die Post und gebe das Paket ab. Ab jetzt trage ich nur noch 16 Kilogramm mit mir rum – das Bike wiegt neun, der Rest sieben Kilo. Ein gutes Gefühl!

Vor dem Freibad mache ich noch beim Hieber-Supermarkt Halt, um mich für den Abend und den ersten Renntag einzudecken. Morgen werden die Supermärkten schließlich geschlossen sein und ich will nicht schon am ersten Tag in ein Hungerloch fallen. Vor dem Supermarkt stehen schon einige bepackte Räder. Unter ihren Besitzern ist auch Linus, ein Fahrradkurier aus Leipzig. Oh man, hat der dünne Reifen! Entweder wird er schon am ersten Tag ausscheiden, oder blitzschnell auf Rügen ankommen, so denke ich mir.

pre-pre-meeting vor dem Hieber

Wir plündern den Hieber. Ich decke mich mit Bananenchips, allen möglichen Riegeln, Thunfisch, Avocado, für den Abend mit Kartoffelsalat und alkoholfreiem Bier ein. Anschließend fahren wir als kleine Gruppe weiter zum Freibad. Als wir auf das Gelände fahren, sehen wir bereits viele Zelte, Räder und allerhand Leute in Radkleidung.

Sympathische Organisatoren

Und da sind ja auch Thomas Borst und Achim Walther! Sie kenne ich bereits seit zwei Jahren. Damals stand ich nämlich schon am Start am Birsköpfli und habe die Verrückten bewundert, die sich auf den Weg nach Rügen machten. Letztes Jahr wurde ich dann selber zu so einem Verrückten, bin selber mitgefahren, allerdings in Bayreuth ausgestiegen.

Thomas und Achim sind nicht nur die Erfinder der Route, die Organisatoren des Rennens, sondern auch die guten Seelen der Community, die sich in den letzten Jahren um all das entwickelt hat. Sie schreiben regelmäßig Rundmails an alle Teilnehmer, stehen für alle möglichen Fragen parat und sind natürlich auch jedes Jahr zum Start des Rennens in Basel vor Ort. Das alles machen sie freiwillig, die Teilnahme an der Bikepacking Trans Germany kostet nämlich keinen einzigen Cent.

Gerade deshalb fahre ich hier so gerne mit. Obwohl das Teilnehmerfeld mittlerweile die 100er-Marke überschritten hat, ist immer noch alles sehr persönlich. Außer einem Radladen aus Nürnberg (Velorado) gibt es keine Sponsoren. Man fährt das ganze Ding aus eigener Kraft und im sogenannten Selbstversorger-Modus, es gibt also weder Begleitfahrzeuge noch Verpflegungsposten. Den Organisatoren ist die ganze Sache ein Herzensanliegen, mit dem sie kein Geld verdienen wollen.

Das merkt man Thomas und Achim auch an, als sie eine erste große Ansprache vor den bereits Anwesenden halten – ein sogenanntes Renn-Briefing. Sie sind gut vorbereitet und weisen auf alles mögliche hin. Offensichtlich ist ihnen das Wohl der Fahrer ein großes Anliegen. Das meiste, was sie sagen, weiß ich bereits vom letzten Jahr oder durch die regelmäßigen Newsletter. Aber ich höre trotzdem gerne zu, mit jedem Punkt steigt die Vorfreude:

Was gilt es morgen besonders zu beachten? Es wird einen neutralen Start geben, danach geht’s auf einer alternativen Route auf der deutschen Seite dem Rhein entlag, weil die kleinen Trails auf der schweizer Seite für die vielen Fahrer zu eng sind. Wo ist es besonders gefährlich? Oben auf der Schwäbischen Alb führt der Track auf Wegen entlagen, an dessen Seiten es steil bergab geht. Wie steht es mit der Trockenheit und Waldbrandgefahr? In der Sächsischen Schweiz sollte man wegen der Dürre nicht übernachten. Und so weiter…

Alte Bekannte

Es folgen noch viele weitere Informationen, bevor die Registration eröffnet ist. Ich schaue mich aber erstmal um und begrüße bekannte Gesichter vom letzten Jahr. Jonathan Lamp ist wieder dabei! Mit ihm war ich letztes Jahr einige Stunden zusammen unterwegs. Ihm ist dann in der Schwäbischen Alb der Rahmen gebrochen, sodass er aufgeben musste. Jetzt ist er besser ausgerüstet, fährt ein stabiles Surly Karate Monkey mit recht breiten Reifen. „Ankommen ist das Ziel“, sagt er, und wirft sich in seine Hängematte, die er direkt am Rhein aufgespannt hat.

Während des Briefings trudeln Sander und Samantha aus den Niederlanden ein. Letztes Jahr war dieses Pärchen bei allen Teilnehmern schnell beliebt, weil sie ihre Hilfsbedürftigkeit förmlich ausstrahlten. Sie waren viel zu schwer bepackt, hatten zum Beispiel ein riesiges Zelt und eine dicke Luftmatratze dabei. Sie mussten dann nach einigen hundert Kilometern aufgeben. Dieses Jahr sind sie deutlich besser und leichter ausgestattet. Außerdem hätten sie viel trainiert, erzählt mir Sander. Ich hoffe für sie, dass es diesmal klappt mit der Ankunft am Kap.

Und viele Rookies

Ich komme aber auch mit Rookies – so nennt man Leute, die die Strecke zum ersten Mal fahren – ins Gespräch. Das Feld ist sehr international – neben den Holländern sind einige Engländer, US-Amerikaner, ein Ire, Belgier, Tschechen (die beiden Nationen stellen für gewöhnlich die besonders schnellen Fahrer), Schweizer, Franzosen, ein Italiener, ein Spanier, ein Österreicher, ein Slowake, zwei Dänen, zwei Schweden, ein Norweger und sogar ein Chilene am Start. Letzteren spreche ich direkt an, ich war ja nicht umsonst für ein Jahr in Chile.

Ariel war letztes Jahr mit dem Bike in Europa unterwegs, bis er nach Leipzig kam, wo ihm sein Fahrrad geklaut worden ist. Also ist er kurzerhand dort geblieben, hat gearbeitet, bis er genügend Geld für ein neues Rad zusammen gespart hatte. Jetzt möchte er einmal Deutschland durchqueren, bevor er weiter den Balkan hinabreisen will – also eine ähnliche Route, wie ich sie letztes Jahr gefahren bin. Wir haben uns viel zu erzählen. Ich übersetze außerdem einiges für ihn, weil er weder Deutsch noch Englisch spricht.

Daneben treffe ich auch auf einige Leute, die ich bereits vorher durch die Social-Media-Welt kennengelernt habe. Das läuft heutzutage so: Wenn man etwas zum Event auf Instagram postet, benutzt man dafür den Hashtag #btg19. Schnell trifft man auf Beiträge von anderen, die auch diesen Tag benutzen. So habe ich im Vorhinein Einblick in die Vorbereitungen so mancher Teilnehmer gewonnen. Jetzt treffe ich sie hier im Freibad in real. Da wäre zum Beispiel Emma Osenton alias waterrat. Sie kommt aus England, war schon bei einigen Bikepacking-Events dabei und möchte die BTG möglichst in unter zehn Tagen finishen.

Außerdem treffe ich Tilo Lier alias larifari_safari. Ihn habe ich die letzten Wochen besonders bewundert, er sieht nämlich ziemlich schnell mit seinem leicht bepackten Gravel-Bike aus. Zudem ist er vor einiger Zeit als Test für das Rennen einen Teil der Strecke schonmal abgefahren – und zwar an einem Tag über 300 Kilometer! Jetzt erzählt er mir, dass er das Rennen zusammen mit Stefan Schmitt, einem alten Rad-Kumpanen, fahren wird.

Expertentalk

So komme ich noch mit einigen Leuten ins Gespräch. Ich lasse mir immer gerne das jeweilige Fahrrad zeigen und bewundere besondere Komponenten oder Packtechniken. Hier bin ich in meinem Element! Ich interessiere mich eben für alles, was mit Radreisen zu tun hat – das ergibt sich so im Laufe der Zeit, wenn man dauernd auf dem Rad sitzt – und jetzt bin ich umgeben von vielen Menschen, für die das gleiche gilt. Hier muss ich zugeben, dass der Kommerz dann doch eine große Rolle spielt. Die meisten fahren sehr teure Fahrräder und sind zudem mit den besten Taschen und feinsten Ausrüstungsgegenständen ausgestattet. Ich selber schließe mich darin ein, habe die letzten Jahre einen bedeutenden Teil meines Geldes für Fahrräder und Ausrüstung ausgegeben.

Da tut es gut, ab und an jemanden zu treffen, der diesem Ausrüstungshype widerspricht. Daniel Hiestand gehört in jedem Fall dazu. Er ist mit etwa 13 Kilogramm wohl am leichtesten von allen Fahrern unterwegs. Das erreicht er allerdings nicht durch ultraleichte und dementsprechend teure Ausrüstung, sondern durch eigenes Basteln. Er fährt ein altes Carbon-Mountainbike, an dessen Lenker er einfach einen Packsack gebunden hat – seine Haupttasche. Zusätzlich hat er zwei PET-Flaschen in das Rahmendreieck gebunden und transportiert darin alles mögliche Werkzeug und Ersatzteile. Weitere zwei PET-Flaschen hat er am Flaschenhals abgeschnitten und an den Packsack gebunden. Sie dienen ihm als Feedbags, also als Snackbeutel. Daniel wirkt sehr erfahren, hat wohl schon einige solche Rennen mitgemacht. Er wird wissen, was er macht, so denke ich mir.

Wer wird gewinnen?

Neben dieser ganzen Technik- und Ausrüstungshuldigung taucht auch immer wieder die Frage auf, wer wohl wie schnell auf Rügen ankommen wird, ja wer sogar gewinnen wird? Achim stelle ich direkt die Frage, ob dieses Jahr der Rekord von fünf Tagen und einer Stunde fallen wird. Achim macht daraufhin erstmal klar, dass ihn Rekorde nicht so sehr interessieren würden, er sei eher für schöne Aufnahmen von der Strecke zu haben – für Zahlen sei eher Thomas zuständig; aber trotzdem – dieses Jahr seien wohl zwei schnelle Beglier dabei, zudem gäbe es ein paar Tschechen, die die letzten Jahre bei dem legendären tschechischen 1000-Meilen-Rennen ganz vorne gelandet sind. War ja klar, denke ich mir, die Tschechen und die Beglier mal wieder!

Ich selber mache mir zwar nicht die Illusion, dass ich ganz vorne landen könnte, habe mir aber trotzdem was vorgenommen: Unter acht Tagen will ich in jedem Fall ins Ziel kommen. Mit meiner leichten Ausrüstung und der Erfahrung aus den letzten Monaten scheint mir alles anderen zu tief gestapelt. Und ein bisschen was muss man sich schon vornehmen, damit man die Zähne zusammen beißt und weiterfährt, wenn’s schwierig wird.

So ertappe ich mich dabei, dass ich immer wieder einzelne Fahrer mustere und mich frage, ob sie wohl schneller oder langsamer sein werden, als ich. Gleichzeitig sage ich mir dann aber auch, dass es nicht nur ums Racen geht. Ein solches Event lebt schließlich davon, dass nicht alle mit einem persönlichen Ziel an die Startlinie gehen, stur dieses Ziel verfolgen und die anderen Fahrer lediglich als Konkurrenten wahrnehmen; vielmehr macht gerade das Miteinander, das gegenseitige Mutmachen und Unterstützen ein Bikepacking-Event zu dem, was es ist.

Pete aus Franken

Passend zu diesem Gedanken taucht dann Peter Scheerer auf – ebenfalls ein bekanntes Gesicht vom letzten Jahr. Pete ist ein geselliger Typ aus Franken, der zwar ebenfalls schnell unterwegs ist und sich Zielzeiten vornimmt, dabei aber trotzdem den Spaß und die Gemeinschaft nicht vergisst. Das konnte ich letztes Jahr persönlich feststellen, zwischen Aalen und Bayreuth war ich nämlich die meiste Zeit zusammen mit Pete und Anja Marwitz unterwegs.

Pete ist zudem ein weiteres Mahnmahl gegen den ganzen Bikepacking-Kommerz. So ganz zusammengebastelt wie die Ausrüstung von Daniel ist seine zwar nicht; aber trotzdem denkt man direkt, wenn man Pete mit seinem alten Tony-Hawk-Style Skater-Helm und seinem großen Rucksack auf dem Rücken sieht, dass sich da aerodynamisch- und gewichtsverteilungsmäßig noch was machen ließe. Aber egal, gerade diese Unkonventionalität macht Pete aus.

Es überrascht mich dann auch wenig, als mir Pete erzählt, dass er schon die letzten zwei Tage von Wiebaden nach Basel mit dem Fahrrad gefahren sei. Heute sei er bei Karlsruhe losgefahren und habe 200 Kilometer gemacht. Wahnsinn, denke ich mir, da schaue ich, dass ich mich die letzten Tage möglichst schone, wenn dann nur noch wenige Kilometer mit dem Bike zurücklegen, um möglichst fit und ausgeruht an den Start zu gehen. Und dann treffe ich auf Pete, der sich um solch ideale Wettkampfvorbereitung wenig schert.

Trotz den bereits schweren Beinen will er dieses Jahr eine neue persönliche Bestzeit fahren, so erzählt er mir. „Klar!“, sagt er, „man muss sich ja was vornehmen!“ Auf seiner Homepage wird’s bestimmt wieder mitreißende Rennberichte geben.

Und dann doch Gewitter

Ich hole mir die Startnummer und den Tracker ab, verbringe noch etwas Zeit am Grill und schaue Norbert Münch beim Feuermachen zu – er ist ein weiterer Vater der BTG, ist jedes Jahr am Start dabei und scoutet außerdem die Strecke rund um Tuttlingen, wo er herkommt.

Dann ist es schon 21 Uhr – Zeit, um nach Basel zurückzufahren. Die meisten Teilnehmer werden die Nacht im Freibad und ihren Zelten oder Biwaksäcken verbringen. Ich habe den Luxus, bei Freunden übernachten zu können. Dort schraube ich noch ein wenig an meinen Bremsen, kontrolliere nochmals das Gepäck und lege mich schlafen.

Wie erwartet schlafe ich mehr schlecht als recht. Spätestens um halb vier bin ich hellwach, dann zieht nämlich ein heftiger Gewittersturm genau über Basel hinweg. Ich leide mit den Leuten im Freibad mit, deren Zelte gerade nass werden oder – noch schlimmer – die sich mit ihren Biwaksäcken unter irgend ein Dach retten müssen. Kein idealer Start für solch eine Tour. Morgen werde ich vermutlich in so einige müde Gesichter schauen.

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1 Kommentar

Chris weys Juli 18, 2019 - 21:46

very nice story about your trip in Israel.

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