Eigentlich wollte ich mich erst wieder melden, sobald ich Kroatien durchfahren habe; das kleine und schnell bereiste Slowenien schien mir keinen neuen Blogeintrag wert. Doch was ich in den drei Tagen in Slowenien erlebt habe, bedarf doch eines eigenen Artikels.
Eine beschaulichte Großstadt
Nachdem uns Christof gen Süden verlassen hatte, radelten Ida und ich weiter nach Ljubljana (ich glaube, wenn man „Lubjana“ sagt, liegt man einigermaßen richtig – alternativ kann man auch einfach den deutschen Namen „Laibach“ verwenden). Eigentlich versuche ich, Großstädte zu meiden – mit dem Rad empfinde ich diese einfach als großen Stress -, aber Ida wollte gerne dorthin und das gemeinsame Radeln war mir im Moment mehr wert, als darauf zu bestehen, außerhalb von Städten zu bleiben.
Die slowenische Hauptstadt hat mich sehr positiv überrascht. Für eine Hauptstadt ist sie nämlich recht beschaulich. Zwar hat sie in den letzten Jahren einen großen Zuwachs an Tourismus erlebt, doch die Architektur verleiht ihr weiterhin einen fast provinziellen Charakter. Man merkt deutlich den österreichischen Einfluss, bis zum ersten Weltkrieg gehörte die Stadt zur k. und k. Monarchie.
Wir gönnten uns einen Tag Radpause, streunten seelenruhig durch das Zentrum, tranken viel günstigen und guten Kaffee – mehrere Tage strampeln auf dem Fahrrad lassen einenen eine sonnige Stadt umso mehr genießen.
Das slowenische Hinterland
Am nächsten Tag verabschiedete ich mich dann von Ida. Sie wollte weiter nach Zagreb. Ich sehnte mich danach, endlich mal die größeren Straßen zu verlassen und mit meinem geländetauglichen Fahrrad das Hinterland zu entdecken. Passenderweise existiert in Slowenien eine sogennante Bikepacking Route. Bikepacking ist ein Trend aus Amerika, der in den letzten Jahren auch in Europa Fuß fasst. Dabei versucht man sein Fahrrad möglichst effizient zu bepacken, sodass man trotz Tourenladung geländetauglich bleibt. Die Routen führen dann über Stock und Stein. Manchmal leiten sie einen tagelang weg von der Zivilisation, man gelangt auf Wege, auf denen man das Fahrrad nur noch schieben kann, ab und an sogar tragen muss.
Mein Fahrrad habe ich bewusst im Bikepacking-Stil bepackt, um einige der Routen zu fahren. So nutzte ich ab Ljubjana die West Loop-Route, um Richtung Kroatien zu gelangen. Das war genau die richtige Entscheidung, sofort war ich fernab jeglichen Autoverkehrs. Es ging in die Berge hinauf und durch einen Nationalpark. An dessen Ende wurde ich von den Zelške Höhlen überrascht – ein beeindruckender Ort, der nur selten Touristen zu sehen bekommt, zumindest führte keine große Straße dorthin.
Wer darf Gastgeber sein?
In Postojna traf ich dann wieder auf Christof. Zusammen wollten wir nach und durch Kroatien radeln. Schnell gelangten wir nach Ilirska Bistrica, füllten unsere Vorräte auf und schlugen kurz hinter der Stadt unsere Zelten auf. Ich möchte die Leser dieser Seite ungern langweilen, indem ich immer wieder von Gastfreundschaft berichte – aber an dieser Stelle scheint es mir unbedingt notwendig.
Zur Sicherheit hatte ich Leon, der sein Wochenendhaus direkt neben unserem Zeltplatz hatte, gefragt, ob das Zelten hier in Ordnung ginge. Natürlich! Und nachdem wir unsere Zelten aufgebaut haben, sollten wir noch zu ihm kommen und etwas essen (und trinken!). Das Problem war nur, dass kurze Zeit später Branko und seine Frau an uns vorbeifuhren. Sofort luden sie uns ein, in ihrem Haus zu übernachten. Als Leon das mitbekam, schien er nicht erfreut. Da wollte ihm jemand seine Gäste stehlen! Was sie dann genau sagten, konnte ich nicht verstehen, aber es war klar, dass sie stritten. Wir fanden eine Lösung: Übernachten würden wir im Haus von Branko, abendessen bei Leon. Damit waren die Wogen geglättet.
Tito in Ehren
Der Abend mit Leon war äußerst unterhaltsam, mit seinem gebrochenen Englisch versuchte er uns an all seinen Jagd-, Brau- und Frauengeschichten teilzuhaben. Er bezeichnet sich selbst als „glücklich geschieden“, hat drei Söhne, arbeitet als Kraftfahrer und hat noch eineinhalb Jahre bis zur Rente. Er liebt Slowenien und alle, die sein Land bereisen. Nur der Flüchtlingsstrom, der, glaubt man seinen Worten, direkt vor seiner Haustür vorbeizieht, macht ihn unglücklich. Mit der jetzigen Politik ist er unzufrieden, an seiner Wand hängt ein Bild von Tito, für dessen Regierung Leon nur lobende Worte findet.
Mir ist Leons Lebensart und Einstellung nur allzu vertraut, man findet sie in Deutschland genauso wie in Slowenien und vermutlich auch den Ländern, die mich noch erwarten. Es ist dieser Typ Europäer mittleren Alters, der Land und Kultur liebt, aber mit seiner dürftigen Rente vor Augen um seine Existenz und die Zukunft seines Landes fürchtet. Da wird die Vergangenheit idealisiert und die Zukunft schwarz gemalt.
Ob dies auch für Branko und seine Frau (ach, diese Namen – ihren habe ich wieder vergessen!) gilt, weiß ich nicht. In jedem Fall erwarteten sie uns am nächsten Morgen mit einem riesigen Frühstück, das für fünf Personen gereicht hätte – also genau richtig für zwei hungrige Radfahrer. Sie nannten uns noch unzählige Orte, die wir unbedingt besuchen sollten, sollten wir einmal wieder ihr Land bereisen.
Was für ein Kontrast das doch innerhalb von drei Tagen war! Hier die lebendige und moderne Hauptstadt, dort das provinzielle Landleben. Dieses kleine und mir vollkommen unbekannte Land hat mich in jedem Fall begeistert, vielleicht kehre ich ja einmal wieder zurück.
Bei soviel Gastfreundschaft und schönen Radrouten war die Reise bisher nicht sonderlich anstrengend. Das sollte sich in Kroatien sofort ändern. Dazu bald mehr…
2 Kommentare
Ich hätte ja nicht gedacht, dass du schon so schnell in Slowenien bist 🙂 Die Zeit geht anscheinend wirklich schnell vorbei…
Wir haben unsere Flitterwochen in Zadar (Kroatien) verbracht. Womöglich fährst du da ja in der Nähe durch!
Lg aus Olten
Hey Raffi,
ja, es geht schnell voran – wobei es sich so anfühlt, als wäre ich schon zwei Monate unterwegs.
Zadar… mal sehen. Split sollte auf jeden Fall drin sein 😉 .
Grüsse!