Wer ohne Hast und Eile reist

by Benni

„Ab jetzt ohne Hast und Eile“, so sagte ich mir, nachdem ich das Wochenende mit meinem Vater in Tirol verbracht hatte. Ab sofort wollte ich für spontane Begegnungen offen sein, die Augen ab und an auf den Wegesrand richten und nicht einem bestimmten Ort verbissen entgegen hetzen. Es sollte sich von Anfang an auszahlen.

Österreichische Freundlichkeit

Das Wetter sah recht durchwachsen aus; am Montag sollte bis auf 1000 Meter Höhe Schnee fallen – genau an dem Tag, an dem ich die Alpen überqueren wollte. Ich entschied mich also dazu, die Tauernschleuse anzusteuern. Hier muss man lediglich auf gut 1200 Meter hinauf und kann von dort mit einem Zug den Alpenhauptkamm durchqueren. Ich wandte den Lenker also gen Süden. Eine „gemütliche“ Alpenüberquerung erwartete mich, noch ein Grund weniger, zu hasten.

Schon mittags gönnte ich mir eine Pause im Gasthaus zur eisernen Hand. Ich setzte mich an einen Sonnenplatz, schon nach kurzer Zeit gesellte sich eine Gruppe freundlicher Damen zu mir. Sie erzählten von sich, ich Stück für Stück auch von meinen Reiseplänen. Sie waren ganz begeistert. Zum Schluss bezahlten sie sogar mein Essen.

Unterwegs mit Ida

Doch es sollte nicht bei dieser kleinen Begegnung bleiben. Am nächsten Tag arbeitete ich mich nach Bad Gastein hinauf. Im Zentrum fuhr ich an einer Bäckerei vorbei, an der ein Damenrad lehnte. Dieses war mit Blumen geschmückt und für meine Begriffe recht unkonventionell bepackt. Ich überlegte kurz, ob die Person, die mit diesem Rad unterwegs ist, auch über die Alpen möchte – nein, unmöglich – ich radelte also weiter.

Kurze Zeit später wartete ich an der Verladestation auf den Zug, da kam doch tatsächlich Ida auf dem besagten Fahrrad den Berg hinauf und steuerte ebenso entschieden wie ich den Zug an. Sofort tauschten wir uns aus. Idas Freund ist ein Reisemuffel, deshalb ist sie alleine unterwegs. Sie scheint ihre Reiserouten noch weniger zu planen, als ich. Zunächst ist sie den Bodensee-Königssee-Radweg gefahren, bevor sie sich spontan dazu entschieden hat, die Alpen in Richtung Slowenien zu überqueren – genau wie ich! Es war also klar, wir würden ein wenig zusammen radeln.

Christliche Gastfreundschaft

Ida hatte für den Abend bereits über Couchsurfing jemanden gefunden, bei dem sie übernachten kann. Ich kam einfach mit und hoffte, dass für mich auch auch noch ein Plätzchen verfügbar wäre, während des Tages hatte nämlich heftiger Regen eingesetzt. Und tatsächlich – Dominik, ein Jugendreferent der Evangelischen Kirche, nahm auch gerne mich auf. So stelle ich mir christliche Gastfreundschaft vor: Ganz selbstverständlich bot Dominik uns müden und nassen Reiseradlern alles an, was seine Wohnung zu bieten hatte.

Auf nach Slowenien!

Am nächsten Tag wollten wir die Grenze nach Slowenien überqueren. Auf dem Weg erhielten wir allerdings die Auskunft, dass der schönste Weg nach Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens, über Italien führen würde. Also zunächst nach Italien! Wie gut, wenn man so spontan die Route ändern kann. Kurzerhand stellten wir uns darauf ein, unsere Energiespeicher mit einer echten italienischen Pizza aufzufüllen.

An der Grenze nach Italien wollten wir noch schnell ein obligatorisches Foto schießen, als ein weiterer Reiseradler an uns vorbeifuhr. Sein Rad war ja ähnlich bepackt wie meins! Sofort rief ich ihm zu und fragte, wo er denn hinwollte. Nach Süden, so grobe Richtung Griechenland, antwortete er – genau wie ich! Also schloss sich auch Christof unserer ad hoc-Fahrradkarawane an. Gemeinsam fuhren wir nach Tarvis, aßen Pizza und schlugen unsere Zelte kurz vor der slowenischen Grenze auf.

Gemeinsam unterwegs

Wie einfacher es sich doch gemeinsam radelt! Nach der ersten Woche, in der ich alleine unterwegs war, tat es so gut, andere Reiseradler zu treffen. Mit jedem Kilometer stellten wir mehr fest, dass wir die selben Erfahrungen gemacht hatten, dass der Start von zu Hause schwer fiel, dass die ersten Tage besonders hart waren; teilweise waren wir sogar ein wenig zeitversetzt die gleiche Route gefahren.

Nach einigen Kilometern in Slowenien bog Christof Richtung Adria ab, während Ida und ich weiter nach Ljubljana zogen. Ich verabredete jedoch mit Christof, ihn am Freitag wieder zu treffen, sodass wir zumindest einen Teil Kroatiens gemeinsam durchqueren könnten. Von dort melde ich mich wieder – mal sehen, von welchen Begegnungen ich dann berichten kann.

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5 Kommentare

Thomas L.k. Oktober 5, 2018 - 00:41

Hallo Ben! Schöner Bericht. Hatte ich schon gesagt, dass ich dich ein klein wenig beneide? 😉 Gute Weiterfahrt und sei alle Zeit behütet.

Thomas

Antwort
Velospektive Oktober 5, 2018 - 21:26

Hallo Thomas,
danke Dir vielmals!
Grüße von der slowenisch-kroatischen Grenze.

Antwort
Eveline Oktober 6, 2018 - 21:10

Hallo Benni! Schön, von Dir auf diese Weise zu hören. Ich wollte , ich hätte auch soviel Mut ….dann würde ich vvielelicht auch etwas mehr von der Welt sehen. Es ist spannend zu lesen, wie Deine Reise so verläuft. Ich wünsche Dir von Herzen wietere gute Begegnungen und Gottes Wachen.

Eveline

Antwort
Velospektive Oktober 6, 2018 - 22:24

So mutig fühle ich mich gar nicht…
Ganz liebe Grüsse zurück!

Antwort
Was einem auf der anatolischen Hochebene so alles begegnet - Velospektive April 14, 2019 - 16:50

[…] brechen wir wieder in entgegengesetzte Richtungen auf. Schade, dass ich seit der Begegnung mit Ida und Christof in Österreich keinen Radfahrer mehr getroffen habe, der in meine Richtung unterwegs […]

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